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Verantwortung übernehmen - und abgeben können

„Verantwortung übernehmen“ ist zur Zeit ein beliebter Begriff. Politiker und Manager sollen Verantwortung übernehmen für das, was in Gesellschaft und Politik schief läuft! Die Lehrer sollen die Verantwortung übernehmen, wenn die Klasse schlechte Noten schreibt. Uns fallen viele Beispiele ein, in denen die Verantwortlichen ihrer Aufgabe nicht nachkommen, nämlich die Verantwortung zu übernehmen. Aber wie sieht das bei uns aus? Wie schnell sind wir dabei, die Schuld (und Verantwortung) auf andere zu schieben? Wie schwer fällt es uns, schon im allgemeinen Sprachgebrauch immer beim ICH statt beim allgemeinen MAN zu bleiben. „Man müsste mehr AG-Angebote in der Schule anbieten.“ „Man sollte sparsamer mit den Ressourcen dieser Welt umgehen.“ „Man, man, man…“ Was passiert, wenn wir „man“ durch „ich“ ersetzten? „Ich müsste mal ein AG-Angebot in der Schule machen.“ „Ich könnte sparsamer sein und häufiger das Fahrrad statt das Auto nehmen.“ Da wird es konkret - und oft unangenehm, denn wir sind persönlich gefragt. Da müssen wir uns fragen lassen, ob wir mit Verantwortung übernehmen für die Umwelt und die Zukunft unserer Kinder. Wir finden für uns in der Regel viele Gründe, warum das gerade nicht geht. Oft ist es Mangel an Zeit. Mag sein. Aber wie wir, finden auch alle anderen Gründe, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und dann? Dann sind wir wieder beim Anfang, dass keiner Verantwortung übernehmen möchte.

 

 

Wir können nur bei uns selbst anfangen, und für unsere Angelegenheiten, Aufgaben, Gefühle, Reaktionen Verantwortung übernehmen. Es beginnt vielleicht bei der Sprache und geht weiter bis in unseren Handlungen, vielleicht sogar bis hin zu einer Veränderung unseres Lebensstils.

 

Es gibt aber auch Verantwortung, die wir übernehmen, die aber eigentlich nicht bei uns liegen sollte. Häufig beobachte ich das bei Eltern. Viele sorgen sich um ihre Kinder – was auch wichtig, richtig und notwendig ist. Und doch braucht es Abstufungen und Nuancen im Umgang mit Verantwortung bei unseren Kindern.

 

 

Bei einem Themenelternabend an einer Schule saßen mir mehrheitlich Eltern von Schülern der 7. Klasse gegenüber. Es sollte eigentlich um das Thema „kindgerechtes Lernen“ gehen. Die Diskussion entwickelte sich aber dahingehend, dass die Frage diskutiert wurde: „Wie weit müssen/sollten sich Eltern einschalten bei der Unterstützung der Kinder in Schulangelegenheiten.“ Und da ging es nicht um Mobbing oder heikle Klassensituationen. Es ging um Hausaufgaben, Vorbereitung auf Klassenarbeiten, „Materialverwaltung“ („Hat mein Kind alle Bücher in der Tasche, die es am nächsten Tag braucht?“).

 

Die Kinder scheinen sich nicht selbst organisieren zu können, tun dann aber auch nicht, was die Eltern sagen. Am Ende sind Kinder und Eltern genervt. Die Eltern wollen wieder mehr „Freizeit“ haben, d. h. Zeit, sich um eigene Angelegenheiten zu kümmern. Die (langsam) pubertierenden Kinder wollen sich nicht bevormunden lassen und machen schon allein aus Protest nicht das, was die Eltern vorschlagen.

 

 

Die Frage, die sich mir stellt ist: „Warum sind Eltern so darauf bedacht, dass sie den Kindern helfen müssen?“ Es ist letztendlich die Angst vor schlechten Noten, vor Versagen (nicht nur auf schulischer Ebene, sondern es schwingt bereits die ganze Zukunft des Kindes mit). Aber wann, wenn nicht in der Schule – und eigentlich bereits in der Grundschule – sollen die Kinder lernen, für das eigene Tun oder eben Nicht-Tun die Verantwortung zu übernehmen? Vielleicht müssen wir in diesem Sinne Schule wieder mehr begreifen als ein Ort, der die Kinder auf das Leben vorbereitet und nicht nur zur Wissensvermittlung. Was passiert, wenn die Kinder einen Test – oder auch einmal eine Klassenarbeit – schlecht schreiben? Wenn sie nicht vorher von den Eltern zum Lernen „verdonnert“ wurden, sondern die Vorbereitung selbst organisieren mussten? Sicherlich hängt es stark vom Kind ab, ob es bei einer schlechten Arbeit bleibt, oder ob ein ganzes Schuljahr „den Bach“ runtergeht. Und ja, es gibt Kinder, die sicher mehr Unterstützung brauchen, die die Eltern ihnen nicht vorenthalten dürfen. Aber die meisten Kinder können lernen, ihre Schulangelegenheiten selbst zu regeln.

 

Hinzu kommt die Frage, wann Eltern damit aufhören wollen, ihren Kindern zu sagen, was sie wann und wie zu erledigen haben. Plötzlich nach dem Abitur? Oder nach dem Studium? Dann, wenn es wirklich wichtig wird?

 

 

Außerdem sind im Normalfall Ärger und schlechte Stimmung vorprogrammiert, wenn Eltern zu lange Zeit und Nerven aufwenden, um ihren Kindern den Alltag zu regeln. Gesunde und normal entwickelte Kinder werden wahrscheinlich mit Widerwillen oder aggressivem Verhalten reagieren, wenn sich Eltern zu viel einmischen. Die gut gemeinten Ratschläge werden nicht ankommen und eher noch das Gegenteil bewirken.

 

Es ist an uns Eltern, das rechte Augenmaß zu haben, wann unsere Kinder wirklich Hilfe benötigen und wann wir auch einmal aushalten müssen, dass sie „versagen“: zu spät kommen, nicht alles dabei haben (und wir es ihnen nicht nachbringen), schlecht vorbereitet sind, schlechte Noten bekommen, im Allgemeinen die Dinge nicht so klappen, wie sie sich das vorgestellt haben.

 

Diese negativen Erfahrungen sind aber aus vielerlei Gründen wichtig:

 

1.       Alle Menschen müssen lernen mit Frustration und Misserfolgen fertig zu werden.

 

2.       Nur dann werden sie neue Strategien entwickeln, wie sie es beim nächsten Mal besser machen können.

 

3.       Gelegentliche Misserfolge bewahren uns vor Überheblichkeit und falschem Stolz. Sie machen uns eher menschlicher und toleranter.

 

4.       Wenn Kinder z. B. die Vorbereitung auf eine Klassenarbeit selbst in die Hand genommen haben, können sie die Verantwortung für eine schlechte Note nicht auf andere abwälzen. Sie lernen, selbst dafür die Verantwortung zu übernehmen.

 

 

 

Es lohnt sich auf alle Fälle, das eigene Verhalten in dieser Richtung in Gedanken einmal auf die Spitze zu treiben, denn dann wird uns oft klarer, was das eigentliche Problem ist bzw. was die (unerwünschte) Folge aus unserem Verhalten wäre. Ich denke, dass alle Eltern selbständige und erfolgreiche, aber vor allem glückliche Kinder haben wollen. Die Frage lautet also: „Trägt das, was ich jetzt tue, dazu bei, dass mein Kind selbständig und glücklich wird?“