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Wir haben 2 Ohren und einen Mund, um doppelt so viel zu hören wie zu reden

 

 

„Sich Zeit lassen, wertvolle Zeit, die darin besteht, geduldig und aufmerksam zuzuhören, bis der andere alles gesagt hat, was er nötig hatte. Das erfordert die Askese, nicht mit dem Reden zu beginnen, bevor der passende Moment gekommen ist. Anstatt anzufangen, Meinugen zu äußern und Ratschläge zu erteilen, muss man sich vergewissern, ob man alles gehört hat, was der andere zu sagen hat. Das schließt ein, ein inneres Schweigen einzunehmen, um ohne „Störsignale“ im Herzen oder im Geist zuzuhören: alle Eile abzustreifen, die eigenen Bedürfnisse und Dringlichkeiten beiseitezulassen und Raum zu geben. Oftmals braucht einer der Ehegatten nicht eine Lösung seiner Proleme, sondern nur, angehört zu werden. Er muss spüren, dass man sein Leid, seine Enttäuschung, seine Angst, seinen Zorn, seine Hoffnung, seinen Traum erfasst hat.“ (AL, Nr. 137)

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ sagt der Volksmund. Und wie Recht hat er! Mir kommen viele Gelegenheiten in den Sinn, in denen es im Nachhinein betrachtet besser gewesen wäre, nichts zu sagen, als meine Meinung kundzutun! Meistens sind es Situationen, in denen ich mich geärgert habe. Ich wollte meinerm Ärger, meiner Wut oder meiner Enttäuschung Luft machen und das am besten sofort und ohne weitere Überlegung. Schließlich sollte der andere ruhig wissen, wie es mir gerade geht und dass ER mich gerade geärgert hat.

Mit ein wenig Abstand betrachtet merke ich dann aber oft, dass nicht die Situation als solche oder konkret das Verhalten der anderen Person mich geärgert haben, sondern meine eigene Einstellung zu bestimmten Dingen und dass es ohne diese meine festgefahrene Meinung gar nicht dazu gekommen wäre, dass ich mich hätte ärgern müssen und die Stimmung im schlimmsten Fall für die ganze Familie ruiniert war. Ein Beispiel: Wir haben Gäste zum Essen zu uns nach Hause eingeladen. Natürlich möchte ich, dass es dann ordentlich und gemütlich aussieht, das Essen perfekt und die Stimmung im Haus gut ist. Ich mühe ich mindestens einen Tag vorher schon damit ab, alles herzurichten und doch kommt immer der Punkt, wo ich nervös werde und alle zusammenstauchen könnte, die nicht mithelfen alles vorzubereiten – egal ob ich sie dazu aufgefordert habe oder nicht. Nur ich scheine zu sehen, was noch alles fehlt, was noch zu tun ist, was alles nicht perfekt ist! Die Stimmung kippt: zuerst bei mir, dann bei allen, die ich ja nun schon leicht verärgert um Hilfe bitte, weil sie es ja nicht von allein tun. Wenn der Besuch dann endlich kommt, kann ich (inzwischen) allen Ärger vergessen; schließlich hat sich noch nie ein Gast darüber aufgeregt, dass unsere Garderobe nicht 100%ig aufgeräumt war und im Esszimmer doch noch ein Stapel Bücher auf der Fensterbank lag. Hauptsache die Stimmung ist gut.

Jetzt weiß ich das und ich bemühe mich, dass die anderen nicht zu verärgert sind, nur weil wir Besuch bekommen. Können die anderen jetzt wirklich etwas für meine schlechte Laune? Oder treibt mich mein Wunsch nach Perfektion und gutem Schein in die Verärgerung? Könnte ich nicht mit ein wenig mehr Gelassenheit und rechtzeitiger, freundlicher Ansprache vermeiden, dass ich mich ärgere? Bestimmt. Aber mein Anspruch alles allein schaffen zu können, hindert mich daran. Können die anderen etwas dafür? Wohl eher nicht. Familienmitglieder sind in der Regel keine Hellseher, die immer genau wissen, was ich gerade brauche. In diesem Fall muss man miteinander reden. Hilfreich ist es dabei auch immer, zwischen Fakten und damit verbundenen Emotionen zu unterscheiden. Es ist etwas anderes, ob ich sage: „Peter hat mir nicht geholfen.“ oder ob ich sage: „Peter hat mir nicht geholfen, weil er meine Arbeit für  nicht so wichig hält.“ Das zweite ist eine Interpretation der Tatsache, dass Peter nicht geholfen hat. Vielleicht hatte er gerade auch etwas Wichtiges zu tun und konnte nicht helfen. Diese eine Interpretation verschließt aber die Sicht auf andere mögliche Ursachen.

Jeder kann aber lernen, diese Fallen bei sich selbst zu entdecken. Dazu muss man nur ehrlich darüber nachdenken, was gerade in einem vorgeht. Was fühle ich jetzt gerade: Ärger, Wut, Enttäuschung, Scham,…? Und was ist der eigentliche Grund dafür? Was waren die Fakten und was ist meine Deutung? Was kann ich dagegen tun? Dies führt zu einer großen Selbsterkenntnis und emotionalen Unabhängigkeit. Wir machen unsere Gefühle und Emotionen nicht mehr so stark von anderen abhängig oder andersherum, die anderen sind nicht in erster Linie dafür verantwortlich, wie wir uns fühlen.

Diese emotionale Unabhängigkeit macht uns dann aber fähig, für andere voll und ganz da zu sein, ihnen zuhören zu können und alle eigenen Bedürfnisse für diese Zeit hinten anzustellen. Dann kann der andere auch alles erzählen, was er auf dem Herzen hat, ohne dass wir das  gleich bewerten müssen, bzw. ohne es sofort in unser Denkmuster einsortieren zu müssen. Wer die o.g. Selbstbeobachtung ein wenig trainiert hat,  schafft genau diesen inneren Raum, von dem der Papst in  seinem Schreiben spricht. Wir wissen selbst, wie gut es tut, sich einfach aussprechen zu können und manchmal ist dann jeder Kommentar dazu überflüssig bis ärgerlich, weil es selten gelingt, eine Situation mir all ihren Facetten zu erklären. Der Ratschlag kann dann sehr unpassend sein. Hilfreicher ist es dann oft, Fragen nach möglichen Perspektiven für die Zukunft zu stellen: Was könntest du jetzt tun? Was möchtest du erreichen? Was ist dein eigentliches Ziel oder der eigentliche Wunsch? Das regt den anderen zum Nachdenken an und je postiver die Fragen sind, umso eher kommt der andere auch aus seinem Tief heraus. Steigen wir jedoch zu sehr in das Problem des anderen mit ein, entsteht schnell eine Spirale von negativen Gedanken, die abwärts führt. Das hilft meistens noch weniger.

Nehmen wir uns also Zeit für die Menschen um uns herum, hören wir ihnen zu. Das ist  oft das größte Geschenk, das wir ihnen machen können.