Kommentar zu Punkt 1 von „11 Liebestipps von Papst Franziskus“
„Der würdegende Blick besitzt eine enorme Bedeutung, und mit ihm zu geizen, pflegt Schaden anzurichten. Was tun nicht alles Eheleute und Kinder manchmal, um angesehen und berücksichtig zu werden! Viele Verwundungen und Krisen entstehen, wenn wir aufhören, uns anzusehen….. Die Liebe öffnet die Augen und ermöglicht, jenseits von allem zu sehen, wie viel ein Mensch wert ist.“ (Amoris laeticta, Nr. 128)
Vieles geht mir durch den Kopf, wenn ich diese wenigen Zeilen von Papst Franziskus lese. Es klingt so simpel und logisch das „seid wachsam“ und „ein anerkennender Blick ist wichtig“; und doch fällt es uns oft so schwer.
Wann ist es besonders schwer?
Auf andere zu achten fällt immer dann schwer, wenn wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind. Das Kind oder der Ehepartner kommt nach Hause und möchte unbedingt etwas erzählen aber wir sind
gerade im Stress: das Essen muss fertig werden, die Nudeln sind gerade übergekocht, der Elternabend – zu dem wir gerade keine Lust haben- beginnt bald und der Chef hatte heute Morgen
schlechte Laune und hat sie bei uns abgeladen! Und jetzt kommt noch jemand und möchte unsere Aufmerksamkeit? Geht nicht!
Es ist eine Frage der Prioritäten. Was ist wirklich wichtig in dieser Situation? Das Essen, die Nudeln, der Elternabend oder die Familie?
Bei dieser knappen Gegenüberstellung würden wohl alle Eltern sagen, natürlich die Familie und doch ist das nicht unser erster Gedanke, wenn wir mitten in so einer Situation stecken. Mir hilft es dann immer, in einer ruhigen Minute darüber nachzudenken, warum es mir so schwer gefallen ist? Was ist falsch gelaufen? Daraus kann sich ein gute Vorsatz für die nächste Stressituation ergeben. Und die kommt! Garantiert! Vielleicht passiert es uns dann wieder, dass wir zu spät an unseren Vorsatz und an unsere Prioritäten denken, aber mit der Zeit werden wir wachsamer, für unser Verhalten und die Bedürfnisse unserer Umgebung! Wir sind ja lernfähig. Wir können uns ändern. Das ist die gute Nachricht!
Es gibt aber noch ein Problem oder besser eine Herausforderung. Angenommen wir haben die erste Hürde überstanden: wir haben uns den anderen aufmerksam zugewandt und ihnen zugehört; aber das, was wir zu hören bekommen, gefällt uns nicht: das Kind hat eine fünf in Mathe und der Ehepartner bekommt in diesem Jahr keine Gehaltserhöhung, mit der wir doch so fest gerechnet hatten, um endlich einige größere Reparaturen am Haus durchführen zu lassen. Wie steht es dann mit unserem anerkennenden Blick? Oder ist die Enttäuschung doch größer? Und unsere Fähigkeit, negative Gefühle für uns zu behalten noch nicht so ausgereift?
Was können wir tun, um trotz allem Trost zu spenden und ein anerkennendes Wort zu sagen? Anerkennung wofür denn, könnten Sie jetzt fragen? Es hilft oft, sich in die Situation des anderen zu versetzen? Wie würde es mir gehen, wenn ich zugeben müsste, eine fünf geschrieben zu haben, oder das ersehnte Geld nicht verdient zu haben? Allein das jemanden zu sagen, fällt schwer und wir würden es wahrscheinlich lieber nicht sagen. Die Offenheit und der Mut des anderen verdient dann schon einmal Anerkennung. Wenn wir in so einer Situation sind, brauchen wir eigentlich nicht noch belehrende Worte oder Vorwürfe (du warst zu faul!), denn wir werden es nicht beabsichtigt haben schlechte Noten zu schreiben oder weniger Geld zu verdienen. Wir würden uns wünschen, dass wenigsten unser Bemühen anerkannt und gesehen wird. Das Scheitern ist oft „Strafe“ genug.
Dies sind nur wenige kleine Beispiele, wie wir insbesondere unseren Familienmitgliedern aber auch allen anderen Menschen, mit denen wir zu tun haben, zeigen können, dass sie eine Würde haben, die über das hinausgeht, was sie haben oder leisten.